Carola Schnug-Börgerding
Für Ulla
0 × 270–3300 × 2635 cm | 70 × 2800 × 2360 cm
Ziegel, Granit, Basaltlava, Buchsbaum und wechselnde Bepflanzung
Carola Schnug-Börgerding
*1959 in Hachenburg
lebt in Altenkirchen
Menschen prägen Landschaften
und Landschaften sind ihre Heimat
Ende des Jahres 1982 kehrte ich nach Studium und ersten Berufsjahren in meine Heimatstadt zurück, um als freischaffende Landschaftsarchitektin zu arbeiten. Die Beziehung zu Landschaft und Menschen im Westerwald waren der Grund, ausschlaggebend jedoch der Kauf eines Anwesens, das Raum bot, unsere Vorstellungen von Leben und Arbeiten zu verwirklichen. Diese Keimzelle zog nach geraumer Zeit auch den Ehemann – einen standorttreuen Südoldenburger – in den Westerwald.
Die beginnende Gestaltung unseres Terrains war Anlaß zur Begegnung mit Erwin Wortelkamp, der im Vorbeifahren entdeckt hatte, daß sich vor den Toren Altenkirchens etwas entwickelte, das sich vom vorzufindenden Muster abhob. Dieses erste Kennenlernen war der Beginn einer Freundschaft.
Das Interesse des Bildhauers an der Gestaltung in und mit der Landschaft, die Idee des Gesamtkunstwerks, traf auf mein grundsätzliches Anliegen als Landschaftsarchitektin, heutige Landschaften unter dem Aspekt der Ästhetik – der Wahrnehmung im eigentlichen Sinne – neu zu durchdenken und zu gestalten. In der Tradition der Gartenkünstler vom Gartenhistoriker Prof. Dr. Dieter Hennebo unterrichtet, erweist sich für mich die Auseinandersetzung mit dem Thema Skulptur und Landschaft – angesichts der Alltagsarbeit im Spektrum kommunaler Auftragsarbeiten – als existentiell.
Wesentliche Erfahrung ist, daß die Grundzüge der Gestaltung klassischer Landschaftsgärten und Parklandschaften anwendbar sind. Dennoch ist der Ausgangspunkt und muß das Ergebnis vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte – mit den fortschreitenden Verlusten an Formen und Funktionen von Landschaft – ein anderes sein. Die vorgefundene Landschaft stellt die Grundlage eines Gartenraums dar. Entscheidend für das Gelingen einer Gestaltung war für die Schöpfer der klassischen Landschaftsparks die Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten, der sogenannten ›Gartenfähigkeit‹ eines Geländes, nicht die Anwendung eines Schemas. Bei Humphry Repton (1752–1818) finden sich die Erfordernisse einer vollkommenen Landschaftsgärtnerei formuliert:
1. Sie muß die natürlichen Schönheiten herausstellen und die natürlichen Fehler jeder Situation verbergen. 2. Sie soll durch sorgfältiges Verkleiden oder Verbergen der Grenzen den Anschein von Ausdehnung und Freiheit erwecken. 3. Sie muß jede, wenn auch noch so kostspielige Einmischung von Kunst, durch welche die Szenerie verbessert wurde, geflissentlich verstecken, so daß das Ganze als alleiniges Werk der Natur erscheint. 4. Alle Gegenstände reiner Bequemlichkeit oder Behaglichkeit müssen, wenn sie nicht verziert werden oder eigentümliche Teile der Gesamtszenerie werden können, entfernt oder versteckt werden.¹
Fern von der objektbezogenen planerischen Einzellösung und ebenso von der berufstypischen Entwicklung von Leitbildern, für deren Vollzug es keine politischen Mehrheiten gibt, ergab sich durch die Initiative von Erwin Wortelkamp die Möglichkeit, eine Landschaftsgestaltung mit bildenden Künstlern zu versuchen. Bildhauer und Landschaftsarchitekten sehen in der vorgefundenen Landschaft das Ausgangsmaterial für ein gemeinsames Werk. Bemerkenswert dabei ist, daß im ›Tal‹ Skulpturen nicht nur – wie in den Parks – die Funktion der Staffage haben, sondern in ihrem Sein Raum bestimmen oder in ihm entstehen. Richtschnur unserer Arbeit war der Anspruch des Gartenkünstlers Ludwig Sckell (1750–1823), indem er die Idee der englischen Landschaftsgärten nach Deutschland brachte: »Er (der Gartenkünstler) muß alles, was die Natur sowohl im Innern als auch im Äußern bereits aufgestellt hat, mit der strengsten Aufmerksamkeit aussuchen, prüfen und erwägen, was er für seine Anlagen benutzen und anwenden kann.« Als Problem erweist sich heutzutage, daß die Eigentümlichkeit landschaftlicher Elemente aufgrund der Intensivierung der Nutzungen und der Technisierung verloren geht und die von Sckell gewünschte Prüfung sich zur Spurensuche entwickelt.
Im Gelände zwischen den Dörfern Hasselbach und Werkhausen fanden wir eine weite Talform in den devonischen Rumpf geprägt. Diese wird von einem Bach durchflossen, zum Teil naturnah von Gehölzen gesäumt, zum Teil begradigt in einen Graben gezwängt. Die nicht mehr wassergefüllte Form eines Mühlgrabens liegt am Waldrand und spricht von der ehemaligen Nutzung des Mehrbachwassers. Gräben führen, aus Baum umstandenen Quellen, dem Bach das Wasser der Höhenrücken zu. Die bewaldete Erhebung der »Mihr« säumt das Tal gegenüber der alten Schule und deren Nachbarhaus. Sie beherbergt einen Steinbruch, ehemals von den Dorfbewohnern genutzt, wie auch den Friedhof von Hasselbach. Feldraine und Bäume sind nur spärlich vorhanden.
Das Bild der Landschaft erzählt die Geschichte vom Weg der bäuerlichen Kulturlandschaft zur industriellen Agrarlandschaft, deren Gestalt sich an der Maschine mißt. Das ›Tal‹ ist ein Abschnitt im Talsystem des Mehrbachs, zwischen der Quellbachzone mit ihren naturnahen Sümpfen und Erlenbruchwäldern – einzigartig im Niederwesterwald – und dem ebenfalls naturnahen Mittellauf gelegen. Die Stärke des Geländes liegt im Relief, dem Bach, den feuchten Senken und den Tümpeln. Die Äcker und Grünländereien vermitteln den Eindruck der Weite, in der sich das Tal verliert. Wir fassen das ›Tal‹ durch Baumreihen und Gehölzraine, zeichnen seine Topographie nach und gliedern den Raum. Geschnittene Hecken und architektonische Formen verweisen auf die wenigen vorgefundenen oder eingebrachten naturnahen Gehölze.
So wie es erforderlich ist, das ›Tal‹ zu orten, ist auch seine Verankerung in der Landschaft von Bedeutung. Zeichen der Zusammengehörigkeit sind Säuleneichen und -hainbuchen – standortgerecht die Art, doch zeichenhaft der Wuchs. Sie markieren Tore, Eckpunkte und Plätze im ›Tal‹. Bodenmodellierungen werden aus dem Relief entwickelt, vermitteln zwischen Höhen und Senken, schaffen Flächen. Ihr Ursprung bleibt dem Nichteingeweihten verborgen. Durch extensive Bewirtschaftung der Wiesen verhelfen wir den natürlichen Gegebenheiten – dem Boden, dem Wasser, der Vegetation – zur Geltung, bereiten Lebensräume für Pflanzen und Tiere vor. Mit der Intensivierung der Nutzung der Landschaft gingen auch die Lebensräume der an die Kulturen gebundenen Lebewesen verloren. Wiesen wurden dräniert, Quellen versiegten. Welchen Artenreichtum finden wir dagegen am Mehrbach oder in den liebevoll betreuten Tümpeln, Teichen und Sümpfen. Bei allen landespflegerischen Bemühungen im ›Tal‹ bleibt als zentrales Thema die Landbewirtschaftung und dieses findet sich auch in der Geschichte des klassischen Landschaftsgartens.
Noch von Repton abgelehnt, erhält Mitte des 18. Jahrhunderts die Landwirtschaft als Gestaltelement eingesetzt, um die formale Verbindung zwischen Park und Landschaft zu unterstreichen. So stellt sich die Frage, ob das ›Tal‹ in unserer Zeit zu einer Parklandschaft werden kann, in der das Bild der bäuerlichen Kultur gestaltend bewahrt wird. Zeitgemäß orientieren sich die verwendeten gärtnerischen Gestaltelemente am ökologischen Potential.
Die zunehmende räumliche Verdichtung im begrenzten Talbereich führt zum Landschaftspark, der sich aus der sonst anders gearteten Landschaft ausnimmt. Schon Repton unterscheidet drei Distanzen: den Garten, den Park und das offene Land. Der schulhausnahe Garten erhielt in der Tradition der Ideen von Repton oder des Fürsten Pückler eine geometrisch strenge Gestalt, ordnet sich zum Haus. Der Park schließt sich im ›Tal‹ an. Nahtstellen von ›Tal‹ und umgebender Landschaft sind als Plätze gestaltet, zwischen dem Innen und dem Außen vermittelnd – so z. B. der Platz von Wolfgang Luy. Das Gesamtbild der Anlage wurde durch das Zusammenlegungsverfahren nur wenig beeinträchtigt, da der landschaftliche Umraum durch Pflanzungen, vor allem entlang der Höhenzüge, strukturiert wurde.
Repton fordert das ›ganze‹ Land für seine Gestaltung. Die Landschaftsarchitekten von heute haben sich aus dieser Tradition in die sogenannten ›Freiräume‹ und die ›Nische‹ der Ökologie abdrängen lassen. In vielem haben sie die Verantwortung für die Ästhetik der Landschaft widerstandslos aufgegeben.
Zahlreiche bildende Künstler unserer Zeit – und maßgebliche finden wir im ›Tal‹ – reklamieren durch ihre Arbeit unser Engagement in der Landschaft. War der Landschaftsgarten früherer Zeit Auseinandersetzung mit der ungezähmten Natur, so ist die Parklandschaft heute Zeichen einer Sehnsucht nach Heimat und dem Einklang des nutzenden Menschen mit seinen natürlichen Lebensgrundlagen in einer vermeintlich gezähmten Natur. Die Bewältigung dieser Aufgaben fordert die gemeinsame Anstrengung der Berufe, die sich mit Gestaltung auseinandersetzen – jenseits des reinen Kosten-Nutzen-Denkens.
Carola Schnug-Börgerding
1 Clemens Alexander Winner: Geschichte der Gartentheorie. Darmstadt 1989; Staatliche Schlösser und Gärten Wörlitz: Der englische Garten zu Wörlitz. Berlin 1987; Friedrich Ludwig von Sckell: Andeutungen über Landschaftsgärtnerei. München 1825